Als Netzwerk von Expertinnen und Experten, das sich explizit gegen die Drogenprohibition und für eine pragmatische, evidenzbasierte Drogenpolitik einsetzt, haben wir uns in diesem Jahr dazu entschlossen, einen – betont kurzen – Kommentar zu den Wahlprogrammen der relevanten Parteien zu verfassen.
Beginnen wir zunächst mit den Parteien, deren Ziele unseren Auffassungen diametral gegenüberstehen: So behauptet die CDU/CSU gewohnt faktenfrei, dass das Cannabisgesetz Dealer stärke und „unsere Kinder und Jugendlichen dem Drogenkonsum und der Sucht“ aussetze, weshalb sie die Teil-Legalisierung wieder rückgängig machen und somit Millionen Bundesbürgerinnen und -bürger wieder kriminalisieren wolle. Darauf, dass Ähnliches im Programmentwurf der AfD noch drastischer formuliert ist, sei an dieser Stelle nicht näher eingegangen.
Das erstmals antretende „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) erwähnt in seinem Wahlprogramm an keiner einzigen Stelle Drogen, Cannabis oder Ähnliches; dieses Thema existiert offenbar für diese Partei nicht.
Relativ unklar ist die Haltung der FDP: Nachdem diese sich vor der letzten Bundestagswahl explizit für eine Liberalisierung von Cannabis eingesetzt hat, verweisen sie in ihrem aktuellen Programm darauf, dass das Cannabisgesetz ein entscheidender „erster Schritt“ gewesen sei – „Wir halten deshalb an der Cannabis-Legalisierung fest“. Ob mit letzterer Aussage ein zweiter Schritt – etwa legaler Verkauf – gemeint sein könnte, bleibt offen.
Letzteres hat es ins Wahlprogramm der SPD geschafft: hier will man „die notwendigen Schritte einleiten, um eine europarechtskonforme Legalisierung zu ermöglichen“. Zumindest programmatisch scheint man hier gewillt zu sein, einen echten legalen Umgang mit Cannabisprodukten zu schaffen und über das beim CanG Erreichte hinauszugehen. Zu anderen Drogen findet sich im Übrigen nichts im SPD-Programm.
Bündnis 90/Die Grünen setzen sich noch etwas stärker für die Fortführung des CanG ein, da sich im Wahlprogramm nicht nur die Forderung nach legalem Cannabisverkauf in Fachgeschäften findet, sondern auch versprochen wird, dass man sich auf „europäischer und internationaler Ebene“ dafür einsetzen wolle. Im selben Satz wird auf das Problem der Organisierten Kriminalität eingegangen, für die u.a. eine stärkere Bekämpfung der „Drogenkriminalität“ empfohlen wird. Es findet sich der Satz „Unsere Drogenpolitik setzt auf Vernunft und Hilfe statt auf Kriminalisierung“, ohne dass auf konkrete Vorschläge für Drogen jenseits von Cannabis eingegangen würde. Es soll außerdem geprüft werden, welche geringfügigen Delikte außerhalb des Strafrechts geregelt werden können. Ob damit auch Drogendelikte gemeint sind, bleibt offen. Wird letzlich eine Entkriminalisierung oder Verschärfung der Verfolgung von Drogengebrauchenden angestrebt? Aromen in E-Zigaretten sollen laut der Partei zukünftig verboten werden.
Bei allen oben genannten Parteien nehmen Forderungen nach einer verstärkten strafrechtlichen Bekämpfung der „Organisierten Kriminalität“ einen großen Teil der Programme ein, was die Fortführung der prohibitionistischen Strategie der „Drogenbekämpfung“ impliziert. Es fehlen Hinweise darauf, wie dieses Vorgehen nach über 50 Jahren des Scheiterns funktionieren soll.
Als einzige Partei geht die Linke auf ebendiese Thematik ein, indem gleich zu Beginn des Abschnitts zur Drogenpolitik darauf verwiesen wird, dass viele Probleme erst durch die Kriminalisierung entstehen. Dementsprechend wird gefordert, „Drogenkonsum vollständig (zu) entkriminalisieren“ (gemeint ist vermutlich der Besitz geringer Mengen; Konsum ist bereits heute nicht mit Strafe belegt) und es wird angedeutet, dass man Vorstöße zur legalen Regulierung auch von Substanzen jenseits von Cannabis befürwortet. Für Cannabis wird eine vollständige Legalisierung und dessen Legitimierung durch internationale Instanzen gefordert.
Da das Kernthema des Schildower Kreises die schädliche Prohibition psychoaktiver Substanzen ist, wird an dieser Stelle nicht näher auf vereinzelt in den Wahlprogrammen enthaltene Forderungen zur Regulierung legaler Drogen, Glücksspiel etc. eingegangen. Wir appellieren an alle thematisch Interessierten, unbedingt wählen zu gehen, und zwar möglichst nicht eine der oben im Text genannten Parteien, welche selbst die stark eingeschränkte Teil-Legalisierung von Cannabis wieder zurücknehmen und Konsumierende lieber wieder den negativen Folgen staatlicher Repression aussetzen wollen.